MdB-Otten

Plenarrede von MdB Gerold Otten (Oberst a.D.) über den Bundeswehreinsatz im Südsudan (UNMISS)

4. März 2021 Von Gerold Otten

Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

„Mit dem Südsudan ist ein Staat ohne klare nationale Identität und Zusammenhalt entstanden.“ Das sagte der Kollege Erndl von der Union bei der ersten Lesung des vorliegenden Antrags, und da hat er Recht. Die desolate Situation im Südsudan sollte aber auch alle Multikulturalisten nachdenklich machen. Das Land ist in ethnische und kulturelle Gruppierungen fragmentiert, die sich feindlich gegenüberstehen und auf ihre Sonderrechte pochen.

Das Land befindet sich, trotz aller Friedensbemühungen, in einem bürgerkriegsähnlichen Dauerzustand, ist ein Failed State. Die humanitäre Lage ist weiterhin katastrophal. Fast 2 Millionen Binnenvertriebene leben in Gastgemeinschaften und Camps über das Land verteilt. Über 2 Millionen Menschen sind in Nachbarländer geflohen. Trotz Friedensvertrag sind Gewalttaten und Morde an der Tagesordnung.

Dies alles sollte ein warnendes Beispiel sein. Gesetze und Verfassungen beruhen eben auf allgemeingültigen kulturellen Werten, auf die sich alle Gruppierungen in einem Staat verpflichten. Demokratische Mehrheitsentscheidungen sind in einer derart fragmentierten Gesellschaft aber nicht mehr möglich. An deren Stelle treten Verträge zwischen den Parallelgesellschaften und ihren Repräsentanten. Das genau ist der Kern des Revitalisierungsabkommens von 2018. Bei diesen Verträgen setzen sich diejenigen durch, die am nachdrücklichsten drohen und über die militanteste Anhängerschaft verfügen. Streitigkeiten schüren Hass, Hass Verfolgung, Verfolgung neue Kriege. Bereits vor einem Jahr habe ich an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass das Abkommen vom September 2018 nichts anderes beinhaltet als eine Wiederaufnahme des Status quo ante von 2011: ein Dinka als Präsident und ein Nuer als Vize. Die gegenwärtig unterschwellig weiter lodernde Glut ethnischer Spannungen könnte sich jederzeit wieder entzünden. – Das waren meine Worte. Dem UN-Bericht vom 9. Dezember des vergangenen Jahres entnehme ich, dass ich damit nicht falsch lag. Ich möchte hier die wichtigsten Punkte des Berichts aufgreifen:

Die Reform des Sicherheitssektors verzögert sich erheblich. Die Milizen der Opposition sind nicht willens, sich der Oberhoheit der Regierungsparteien zu unterstellen. Sie weigern sich, andere als die ihrigen Befehlsstrukturen anzuerkennen. Die lokalen Machthaber wollen nicht auf ihr stets verfügbares Machtpotenzial verzichten. Überdies bezweifle ich grundsätzlich, dass ein überproportional aufgeblähter und illoyaler Sicherheitssektor funktional ist und jemals stabilisierend in dem Land wirken kann. (Beifall bei der AfD) Natürlich verzögert sich auch die Verwaltungsreform. Die Besetzung der Posten in den 79 Verwaltungseinheiten des Landes ist umstritten; denn mit den Posten ist eben auch ökonomische Macht verbunden. Zunehmender Dissens zwischen den Regierenden, wechselnde Allianzen, Abspaltungen in der Opposition und anhaltendes Gerangel um Posten zeigen: Wir erleben die Fortsetzung des Kampfes um Einfluss und Macht, des Krieges also, mit – noch – anderen Mitteln. Daraus folgt, die Sicherung von Ruhe und Ordnung ist nicht möglich. Auf kommunaler Ebene gehen die Kämpfe zwischen den Ethnien ebenso weiter wie zwischen den Vertragsparteien des Revitalisierungsabkommens.

Wollen UNMISS und Hilfsorganisationen ihren Aufgaben in diesen Konfliktgebieten nachkommen, werden sie dabei von der Regierung und Milizen behindert, obwohl der Stationierungsvertrag von 2011 die Bewegungsfreiheit von UNMISS zu Land und Luft garantiert. Auch das zeigt: Die Zusammenarbeit zwischen Regierung und UNMISS funktioniert weiterhin nicht. Mit Blick auf diese Probleme hat David Shearer, Chef von UNMISS, vor einem Monat die Befürchtung ausgesprochen, die mangelnde Umsetzung des Revitalisierungsprogramms könnte den anstehenden Wahlen im nächsten Jahr die Legitimität entziehen, und die Befürchtung ist berechtigt.

Wir, meine Damen und Herren, die Alternativen, stimmen der Verlängerung des Mandats zu. Wir tun dies in der Hoffnung, dass die Wahlen im kommenden Jahr zeigen werden, dass die Menschen des Südsudans nach dem Gemeinwohl entscheiden werden und nicht nach ihrer ethnischen Zugehörigkeit und dass ihre Anführer das Votum auch akzeptieren.

Vielen Dank.