MdB-Otten

Plenarrede von MdB Gerold Otten zum Bundeswehreinsatz im Irak und in Syrien

17. November 2020 Von Gerold Otten

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Außenminister Maas hat bei der ersten Debatte des Antrags die Strategie der Bundesregierung angedeutet: Militärischer Druck werde nicht ausreichen, dem IS den Nährboden zu entziehen. Man müsse dafür sorgen, dass es den Menschen vor Ort besser geht. Für den zivilen Aufbau bedürfe es aber Sicherheit und Stabilität.


(Zuruf von der SPD: Richtig so!)


Das klingt zunächst einmal plausibel, zumal der neue Premierminister des Irak erste Ankündigungen gemacht hat, die auf Reformen oder innerstaatlichen Ausgleich hindeuten. Der Minister hat also eine hoffnungsvolle Zukunft für die Region dargestellt; doch Hoffnung war noch nie ein guter Berater.


Realpolitik dagegen erfordert zunächst einmal, anzuerkennen, dass sich die politischen Gegebenheiten in Syrien von denen im Irak grundsätzlich unterscheiden. Dies müsste sich natürlich auch im Mandatstext widerspiegeln: am unterschiedlichen Personal- und Materialeinsatz, an einer differenzierten Bewertung des politischen Umfelds und, ganz entscheidend, an einer umfassenden Darlegung der unterschiedlichen Aufträge,
Ziele und Methoden. Aber nichts davon!


Auf acht Seiten wird die Mission im Irak beschrieben, zum Einsatz in Syrien: zehn Zeilen. Man beruft sich auf eine UN-Resolution von 2015 – eine Resolution, die von den wirklichen Machtverhältnissen mittlerweile meilenweit entfernt ist. Eine Analyse der realen Machtverhältnisse ist jedoch die Voraussetzung, das Machbare zu wollen. Und damit meine ich nicht das realitätsferne Schutzzonenprojekt der Ministerin in Nordsyrien. Wie steht es damit eigentlich, Herr Staatssekretär?


Ein erster realpolitischer Schritt wäre also eine Teilung des vorliegenden Mandats, wie von uns gefordert. Nur so hätte der Bundestag die Möglichkeit, über zwei völkerund verfassungsrechtlich fragwürdige Einsätze getrennt zu entscheiden.

Realpolitik verlangt zum Zweiten aber auch nach einer ständigen Überprüfung der Leitlinien außenpolitischen Handels; denn der Traum von einer globalen Weltordnung, wie er hier eben ja auch schon beschrieben wurde, vom funktionierenden globalen Sicherheitssystem erweist sich in der Realität doch eher regelmäßig als ein Wunschtraum – von der Strategie des vernetzten Ansatzes ganz zu schweigen. Konkret heißt das: Wir bezweifeln nicht nur den Sinn dieses Einsatzes, sondern auch die rechtliche Vereinbarkeit.


(Beifall bei der AfD)


Die Bundesregierung beruft sich zwar im Antrag auf internationale Verträge, die den Rahmen für das Mandat vorgeben; doch dieser Rahmen wird von ihr eben sehr weit ausgelegt. Solange das so bleibt, kann die Bundesregierung de facto jeden Einsatz mit Worthülsen legitimieren. Im vorliegenden Antrag ist es das „Recht auf Selbstverteidigung“. Dieses vorgebliche Recht auf Selbstverteidigung ergibt sich – so steht es im Antrag – aus der Terrorgefahr durch den IS in Deutschland und der westlichen Welt.


Nun, wir von der AfD sind sicherlich die Letzten, die die Gefahr des islamistischen Terrors bestreiten, der heute in einer Kirche in Nizza wieder drei Menschen brutal das Leben gekostet hat. Deshalb widmen Sie sich endlich auch ohne ideologische Scheuklappen dem Islamismus in Deutschland! Um es Ihnen zu verdeutlichen: Wenn angeblich mangelnde Staatlichkeit oder Perspektivlosigkeit der Nährboden für den islamischen Terrorismus sind, wie es im Antragstext heißt, wie erklären Sie uns dann den Islamismus in der westlichen Welt, einen Islamismus von Muslimen und Konvertiten, die in Sicherheit und relativem Wohlstand aufgewachsen sind? Aus dieser latenten Terrorgefahr dann aber ein Recht auf kollektive Selbstverteidigung abzuleiten und militärisch in die inneren Angelegenheiten souveräner Staaten einzugreifen, halten wir für äußerst fragwürdig und verantwortungslos.


(Beifall bei der AfD)


Dennoch ist kollektive Selbstverteidigung ständig Drehund Angelpunkt zur Legitimation von Interventionen von Koalitionen der Willigen. Und wenn es nach der Verteidigungsministerin geht: Künftig gerne noch mehr davon!


Doch was heißt eigentlich „kollektive Verteidigung“ im ursprünglichen Sinn? Diese beschreibt gemäß Konzeption der Bundeswehr eigentlich die Fähigkeit zum Einsatz kampfkräftiger Großverbände – ich zitiere – „innerhalb und auch am Rande des Bündnisgebietes“. Die Bundesregierung legt diesen Rand des Bündnisgebietes allerdings sehr weit aus. Vor fast 20 Jahren war es der Hindukusch, wo angeblich Deutschlands Sicherheit verteidigt wurde, heute sind es das Zweistromland und die Sahelzone. Hinter dieser geografischen Ausdehnung steht allerdings – und das ist das Entscheidende – eine Entgrenzung völkerrechtlicher Prinzipien. Wir lehnen dieses Mandat daher aus verfahrenstechnischen, völkerrechtlichen und grundsätzlichen Erwägungen ab. Wir bitten stattdessen um Zustimmung zu unserem Antrag.
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.


(Beifall bei der AfD)