MdB-Otten

Plenarrede von MdB Gerold Otten zum Verteidigungsetat 2021

10. Dezember 2020 Von Gerold Otten

Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Im Vergleich zu 2013 ist der Verteidigungshaushalt für 2021 um rund 9 Milliarden Euro auf knapp 47 Milliarden Euro angestiegen. Die Verteidigungspolitiker der Großen Koalition werden sich sicher hier dafür loben. Wie aber steht die Bundeswehr nach sieben Jahren Großer Koalition da, und wer trägt für den heutigen Zustand der Truppe die Verantwortung? Die Bundeswehr ist über Jahre unter dem Euphemismus „Friedensdividende“ geradezu kaputtgespart worden. Es wird Jahrzehnte dauern, diese Entwicklung rückgängig zu machen und die Bundeswehr so zu modernisieren, dass sie ihren verfassungsgemäßen Auftrag, die Verteidigung Deutschlands, wieder gewährleisten kann.

Das Fähigkeitsprofil der Bundeswehr 2018 versuchte, dieser Diagnose Rechnung zu tragen und einen Heilplan für die Streitkräfte aufzustellen. Lassen Sie mich bei diesem medizinischen Vergleich bleiben. Eineinhalb Dekaden Herumdoktern – in diesem Fall eher ein „Herummerkeln“ – bedürfen mindestens eineinhalb Jahrzehnte der Heilung. Es ist also auch nicht schwer, vorherzusagen, dass das Füllen der hohlen Strukturen wunschgemäß nicht möglich sein wird. Was heute verschoben wird, das bleibt und wird umso stärker künftige Haushalte belasten. Dass aber keine Genesung des Patienten Bundeswehr absehbar ist, mag auch daran liegen, dass die Ärzte, die die Medizin verabreichen, die gleichen sind, die sie krank gemacht haben.

(Beifall bei der AfD)

Denn es ist so – vor dieser Verantwortung können Sie sich nicht drücken –: CDU/CSU, SPD, FDP und Grüne haben das jahrelange Siechtum der Bundeswehr zu verantworten. Fakt ist: Die Bundeswehr ist in dieser Verfassung nicht in der Lage, unser Land zu verteidigen. Die von Ihnen materialmäßig heruntergewirtschaftete Truppe ist nicht einmal in der Lage, Kriseneinsätze und Grundbetrieb in der Heimat gleichzeitig reibungslos zu organisieren – trotz des vorbildlichen und engagierten Einsatzes unserer Soldaten und zivilen Mitarbeiter, denen wir dafür ausdrücklich danken.

(Beifall bei der AfD)

Gegenwärtig ist an Grundbetrieb ohnehin nicht zu denken. Die Truppe leistet derzeit im Einsatz gegen Covid19 durchaus Großartiges; aber sie ist zu einem Lückenbüßer geworden, der dort einspringen muss, wo andere staatliche Stellen überfordert sind oder gar versagen. Sinnbildhaft für das Siechtum der Bundeswehr stehen auch die allseits auftretenden Probleme bei den großen Beschaffungsprojekten. Lässt man diese Revue passieren, zeigen sich fünf Kategorien. Da sind einerseits die Toten – gescheiterte Projekte wie Pegasus –, dann die Scheintoten, also die vor dem Aus Stehenden, wie das Taktische Luftverteidigungssystem TLVS. Nicht zu vergessen die dritte Kategorie: die Ladenhüter, wie zum Beispiel der A400M – eigentlich ein sehr leistungsfähiges militärisches Transportflugzeug, leider auf dem Weltmarkt nicht zu vermarkten. Groß ist auch die Anzahl der unausgereiften Projekte, wie zum Beispiel der Schützenpanzer Puma, gerne auch „Bananenprodukte“ genannt; denn sie reifen erst beim Kunden. Und zu guter Letzt: die europäischen Prestigeprojekte wie FCAS und MGCS – beides überwiegend von Deutschland finanzierte Projekte in überwiegend französischem Interesse. Politischer Wille steht dabei über finanziellem, volkswirtschaftlichem und militärischem Nutzen.

Meine Damen und Herren, nach wie vor herrscht in der Bundeswehr ein gewaltiger Investitionsstau, ob nun bei den Unterkünften, bei der Munitions- und Ersatzteilbevorratung, bei der persönlichen Ausrüstung, bei der Wiedererlangung verlorener Fähigkeiten oder der Forschung in Zukunftstechnologien. All dem trägt der Haushalt 2021 keine Rechnung. Mit Blick auf die aktuell rasant steigende Staatsverschuldung stellt sich ohnehin die Frage, wie viel der künftigen Etaterhöhungen, wenn es sie denn geben wird, für investive Ausgaben zur Verfügung steht. Der Erfolg bisheriger Rüstungsprojekte ist also überschaubar. Parallel dazu jagt seit Jahren eine Reform des Beschaffungswesens die nächste. Wo aber bleibt die Effizienzsteigerung im Beschaffungswesen? Das System ist im Formalismus gefangen, steckt zwischen behindernder Überregulierung, zeitraubender Bürokratie und chronischem Arbeitskräftemangel.

(Beifall bei der AfD)

Ein Eindruck aber bleibt hängen: Entweder das System kann sich nicht reformieren, oder es will es nicht. Die zentrale Frage ist aber: Wozu eigentlich Streitkräfte? An der Antwort auf diese Frage scheiden sich die Geister. Der zentrale Unterschied zwischen uns, der AfD-Fraktion, und Ihnen, den hier schon länger handelnden Fraktionen, ist sehr deutlich: Die AfD folgt dabei einem realpolitischen Kurs.

(Lachen bei der SPD – Tobias Pflüger [DIE LINKE]: Der war gut!)

Ich kann dem Kollegen nur sagen: Auch die Reise nach Moskau hat mit Realpolitik zu tun.

(Beifall bei der AfD)

Das heißt für die Bundeswehr: Der Kernauftrag ist die Landesverteidigung sowie die Bündnisverteidigung. Um dies glaubhaft zu machen, bedarf es des Willens und der Fähigkeit, letztendlich auch tödliche militärische Gewalt einzusetzen. Eine starke Bundeswehr dient gleichsam der Verteidigung Deutschlands wie der unserer Verbündeten. Sie verdeutlicht Deutschlands Glaubwürdigkeit als Bündnispartner und untermauert die außenpolitische Handlungsfähigkeit unseres Landes. Auslandseinsätze sind aus unserer Sicht aber nur gerechtfertigt, wenn ein UN-Mandat vorliegt und ein nationales Interesse gegeben ist.

(Beifall bei der AfD)

Das ist das Leitmotiv jeder vernünftigen Nation auf diesem Planeten; nur in Deutschland ist die Betonung eines nationalen Interesses bereits anrüchig und politisch höchst verdächtig. Das alles wissen Sie auch, aber aus Furcht vor der links-grün veröffentlichten Meinung schrecken Sie vor klaren Worten zurück und begründen die Existenz von Streitkräften mit bedeutungslosen Phrasen und leeren Worthülsen wie „internationale Verantwortung Deutschlands“, „Krisenmanagement“, „humanitäre Hilfe“ oder – besonders beliebt – „vernetzter Ansatz“. Mit dem Kernauftrag von Streitkräften und eines Verteidigungsbündnisses haben die Begriffe jedoch nichts zu tun. Das mag mit Blick auf bis zur Selbstaufgabe pazifistische Bevölkerungsanteile in unserem Land nachvollziehbar sein, staatspolitisch verantwortungsvoll ist das in keiner Weise.

(Beifall bei der AfD)

Nach Carl von Clausewitz, dem großen preußischen Heeresreformer, benötigt ein Staat zwei Dinge, um nach außen als Staatsindividuum handeln zu können: eine handlungssichere Regierung und einen – ich zitiere – „Geist des Volkes, welcher diesem Ganzen Leben und Nervenkraft gibt“. Was die Bundesregierung betrifft, ist in dieser Hinsicht nichts zu erwarten, und auch, was die mentale und moralische Fähigkeit betrifft, sehe ich schwarz. Das eine ist die materielle und finanzielle Ausstattung der Streitkräfte, das andere aber ist der Wehrwille, der eben jenem Ganzen Leben und Nervenkraft gibt, wie Clausewitz es ausdrückte. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit. Den Einzelplan 14 lehnen wir ab.

(Beifall bei der AfD)