MdB-Otten

Plenarrede von MdB Gerold Otten (Oberst der Reserve a.D.) zum Bundeswehretat (Einzelplan 14)

1. Juni 2022 Von Gerold Otten

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen!

Am 24. Februar begann der russische Angriff auf die Ukraine. Zur Überraschung aller wurde hier vom Bundeskanzler drei Tage später in der Sondersitzung des Bundestages die Schaffung eines Sondervermögens angekündigt, also die Aufnahme neuer Schulden außerhalb des Etats zur Umgehung der grundgesetzlich vereinbarten Schuldenbremse. Dies sollte seiner Aussage nach dazu dienen, die notwendige Beschaffung für die Bundeswehr planungssicher finanzieren zu können. Ebenfalls erklärte der Kanzler, dass künftig das 2-Prozent-Ziel der NATO dauerhaft erreicht werden solle. Bei den Koalitionsfraktionen gab es für diese Ankündigung von stehendem Applaus bis hin zu demonstrativem Sitzenbleiben mit verkniffenem Gesicht alle Varianten der Kenntnisnahme. Nun, eine solide Finanzierung der Bundeswehr sowie die Erreichung des 2-Prozent-Ziels waren von Anfang an zentrale Forderungen der Alternative für Deutschland.

(Beifall bei der AfD)

Dafür haben Sie uns als Militaristen und Aufrüster verunglimpft; nun ist es politische Leitlinie. Dass es erst eines Alarmrufs durch den Krieg Russlands gegen die Ukraine bedurfte, beweist nur eines: die Unfähigkeit der hier schon immer regierenden Parteien, für die Sicherheit und die Verteidigung unserer Heimat und des deutschen Volkes Sorge zu tragen.

(Beifall bei der AfD)

Wahr ist doch: Die SPD hatte schon immer ein Problem mit der Finanzierung der Bundeswehr und von Rüstungsprojekten. Forderungen wie „Lieber 6 Prozent mehr für Bildung als 2 Prozent für Rüstung“ macht man sich dort schon lange zu eigen. Ebenso die Grünen: Dort denkt man deutsche Verantwortung global. Es geht um Humanität, Klimawandel, Frauenrechte, Demokratieexport oder den viel zitierten vernetzten Ansatz. Man ist aber zu naiv oder vielleicht auch zu verschlagen, um den Wählern eines klarzumachen: Die Verfolgung einer globalen Agenda führt zwangsläufig zu einem globalen Interventionismus.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Was?)

Und bei der FDP träumt Christian Lindner nun davon, durch das Sondervermögen die Bundeswehr zu einer der „schlagkräftigsten Armeen in Europa“ aufzubauen.

(Lars Lindemann [FDP]: Ja, so ist das!)

Gleichzeitig aber – danke für den Zwischenruf – will seine Parteikollegin und Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Frau Strack-Zimmermann, gerade schwere Waffen von der Bundeswehr abziehen, um diese in die Ukraine zu schicken,

(Dr. Marie-Agnes Strack-Zimmermann [FDP]: Ich habe doch noch gar nichts gesagt! Ich spreche erst noch!)

ein Vorschlag übrigens, vor dem sogar der stellvertretende Generalinspekteur der Bundeswehr warnt, weil damit die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte gefährdet wird. Durch Putins Angriff auf die Ukraine brauchen wir Antworten, wie nun die Streitkräfte vom Kopf auf die Füße gestellt werden können. Dazu braucht es wie immer Geld. Wenn das nicht ausreicht, wie so oft bei dieser Bundesregierung, werden eben Schulden gemacht. Das nennt man dann euphemistisch „Sondervermögen“. Ich frage mich immer: Welcher Marketing-Fuzzi erfindet eigentlich solche rhetorischen Nebelkerzen? Mehr Geld für die Bundeswehr ist dringend nötig, keine Frage. Wir Alternativen fordern seit Jahren die Erreichung des 2-Prozent-Ziels der NATO. Dieser Richtwert ist jedoch eher ein politisches Statement. Dahinter steht das Wissen, dass unsere Nation weder die militärische Schlagkraft noch den Selbstbehauptungswillen hat, einen Angriff, wie ihn die Ukraine derzeit erlebt, auch nur ansatzweise aufhalten zu können.

(Dr. Johann David Wadephul [CDU/CSU]: Was?)

Das ist das Versagen aller Bundesregierungen seit 1990.

(Beifall bei der AfD)

Die Bundeswehr kann schon seit Jahren ihren verfassungsmäßigen Auftrag, nämlich die Landesverteidigung sicherzustellen, nicht erfüllen. Dafür tragen alle ehemaligen Regierungsparteien, von der SPD, der CDU/CSU bis hin zur FDP und den Grünen, die Verantwortung. Ihr Versagen, Ihr jahrzehntelanges Sparen am Verteidigungshaushalt ließen die Bundeswehr und das Wehrmaterial veralten. Die Aussetzung der Wehrpflicht – übrigens unter einem CSU-Verteidigungsminister – sowie die verhängnisvolle Schwerpunktverlagerung auf das Krisenmanagement in Auslandseinsätzen gaben ihr den Rest; denn alles musste sich dem Vorrang des Krisenmanagements unterwerfen, auch Material, Grundbetrieb und Ausbildung. Strukturen und Fähigkeiten wurden abgebaut, die nun teuer wieder aufgebaut werden müssen. Das überalterte Material ist wie die immer noch unverschlüsselte Kommunikation im Gefecht eher eine Gefahr als eine Hilfe. Auch die Munitionsbeschaffung wurde sträflich vernachlässigt. Die Bundeswehr besitzt nicht einmal genug Munition, um einen hochintensiven Verteidigungskampf auch nur wenige Tage durchhalten zu können. Obwohl das allen Verantwortungsträgern bekannt war, änderte sich nichts. Alle bisherigen Haushalte stellten immer ungenügende Finanzmittel zur Verfügung. 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr sind also dringend notwendig. Wenn Sie aber den Wiederaufbau unserer Streitkräfte ernsthaft wollen, braucht die Bundeswehr deutlich mehr Geld, und das über einen längeren Zeitraum. Dies erfordert künftig einen stetigen und berechenbaren Aufwuchs des Verteidigungsetats. Denn was geschieht, wenn das sogenannte Sondervermögen in fünf Jahren aufgebraucht ist? Haben wir dann hochmoderne Waffensysteme, die nicht einsatzbereit sind, weil es an Ersatzteilen, ausgebildetem Personal und den Mitteln zum Betrieb fehlt? Aber Geld allein ist nicht die Lösung. Es muss auch richtig eingesetzt werden. Die Truppe muss das von ihr benötigte Material möglichst schnell erhalten. Kontrollwahn, Verantwortungsdiffusion und überbordender Bürokratismus müssen fallen. Die Truppe muss weitaus enger in die Bedarfsdeckung eingebunden werden. Die historisch überkommene Trennung von Streitkräften und Wehrverwaltung muss beendet werden.

(Beifall bei der AfD)

Wir brauchen aber auch eine patriotische Wende. Wenn nur noch circa 30 Prozent der jungen Deutschen bereit sind, ihre Heimat zu verteidigen, wenn die politische Führung glaubt, „Heimat“ sei ein problembehafteter Begriff, der positiv umgedeutet werden müsse, wie Bundesinnenministerin Faeser meint, dann ist es eben kein Wunder, wenn der Wehrwille der Gesellschaft am Boden liegt. Dann läuft in dieser Gesellschaft etwas völlig falsch.

(Beifall bei der AfD)

Für uns Alternative dagegen gilt auch heute noch Heraklits antiker Leitspruch: Kämpfen soll das Volk für das Gesetz und seine Mauer. – Streitkräfte waren und sind der zentrale Ausdruck nationaler Souveränität und außenpolitischer Handlungsfähigkeit. Starke Streitkräfte sind Ausdruck des Selbstbehauptungswillens einer Nation. Ohne kampfkräftige Streitkräfte gibt es keine Glaubwürdigkeit als Bündnispartner. Wir lehnen daher den Einzelplan 14 ab. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der AfD)