MdB-Otten

Kein deutscher Alleingang bei der Stationierung von US-Mittelstreckenraketen

13. September 2024 Von Gerold Otten

Am Rande des Gipfels zum 75. Bestehen der NATO in Washington haben die USA und Deutschland am 10. Juli 2024 in einer bilateralen Erklärung angekündigt, ab 2026 landgestützte US-amerikanische Raketen vom Typ SM-6 und Tomahawk mit strategischer Reichweite sowie Hyperschallwaffen in Deutschland zu stationieren, und zwar nur in Deutschland, also in keinem anderen europäischen Land. Betont wird dabei, dass diese Systeme nur konventionell bewaffnet seien. Verteidigungsminister Boris Pistorius spricht von „Übergangsmaßnahmen“ zur Schließung von NATO-Fähigkeitslücken bis zur Entwicklung eigener, abstandsfähiger europäischer Präzisionswaffen. 45 Jahre nach dem NATO-Doppelbeschluss unter dem damaligen SPD Kanzler Helmut Schmidt sieht der heutige SPD-Kanzler Olaf Scholz, trotz weitreichender Folgen für die Sicherheitslage Deutschlands keine Notwendigkeit, das Für und Wider der Stationierung in der deutschen Öffentlichkeit, dem Deutschen Bundestag oder wenigstens in seiner eigenen Partei zu diskutieren. Er verzichtet mit seinem bilateralen Alleingang auch darauf, die Entscheidung mit anderen, europäischen Bündnispartnern abzustimmen und somit die Risiken zu teilen. Während für Helmut Schmidt Abschreckung bei gleich zeitig stattfindender Diplomatie wichtig war, setzt Scholz ausgerechnet in der jetzigen, eskalierenden Phase mit Russland ausschließlich auf die Sprache der Waffen. Das ist klar das falsche Signal! Die Kombination aus hoher Geschwindigkeit und großer Manövrierfähigkeit moderner Waffensysteme lässt praktisch keine Reaktionszeit des Gegners mehr zu. Dadurch erhöht sich das Risiko von Fehleinschätzungen bis hin zum atomaren Erstschlag, zumal Russland über ein breites Spektrum an atomar bestückbaren Systemen im Kurz und Mittelstreckenbereich verfügt (Iskander-Raketen und Marschflugkörper). Diese sind bereits auf dem Gebiet der russischen Exklave Kaliningrad, dem ehemaligen Königsberg, aufgestellt und bedrohen schon heute, in direkter Nachbarschaft, Deutschland und andere NATO-Staaten. Als Mitglied im Verteidigungsausschuss und abrüstungspolitischer Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion lehne ich das Vorantreiben der Eskalationsspirale beider Seiten ab. Das gilt insbesondere auch für die geplante Stationierung von US-Mittelstreckenraketen in Deutschland. Derzeit ist weder klar, unter welchen Voraussetzungen die Waffen zum Einsatz kommen sollen, noch, ob die Befehlsgewalt rein national der USA unterliegt oder ob Deutschland und gegebenenfalls auch anderen NATO-Bündnispartnern eine Mitsprache beim Einsatz dieser Waffensysteme eingeräumt wird.